Es war ein kalter, verregneter Abend mit erstem Schneefall, an dem ca. 30 Besucherinnen und Besucher den Weg in die Ohlendiekshöhe gefunden haben. Einige waren offensichtlich das erste Mal im OHLE. Vielleicht lag es am Wetter & am Thema was diesen besonderen Abend ausmachte.
Ein intensiver Abend mit Geschichten über Menschen mit Migration bot die Vorstellung mit Melissa Manrique aus Berlin vom Buchprojekt der „Migrant Mamas“ im OHLE Begegnungshaus Ohlendiekshöhe.
Das Buch Mama Superstar porträtiert elf mutige »Migrant Mamas« aus der Sicht ihrer deutschen Töchter. Es geht um bedingungslose Liebe, kulturelle Vielfalt und gelebte Integration. In »Mama Superstar« feiern Töchter ihre Mütter. Frauen sind von überall auf der Welt nach Deutschland gekommen. Sie wollen hier in Deutschland eine neue Heimat finden. Diese Heimat muss erst mal von ihnen erschaffen werden.
Rose Fajer, Syrien, die jetzt an der Stadtteilschule Poppenbüttel als Mathematiklehrerin arbeitet und ihre Tochter Tess, sind 2016 aus Syrien nach Hamburg gekommen. Rose Tess erzählten ihre eigene persönliche Geschichte. Dazu befragte Tess ihre Mutter im Rahmen eines Gespräches der Veranstaltung.
Melisa Manrique berichtete von der Entstehungsgeschichte des Buches. Töchter mit Migrationshintergrund die nach Deutschlang gekommen sind machten sich Gedanken, wie sie ihre Geschichte erzählen. Dabei entstand die Idee, ihre Mütter zu interviewen. Dabei ging es um Fragen zur Biografie ihrer Mütter. Im Mittelpunkt stand aber auch die Idee, die Mütter mit ihren Geschichten, die sie in Deutschland erlebt haben zu beschreiben. Die Liebe zwischen Müttern und Töchtern sollte sich in den Geschichten im Buch wieder finden. Entstanden ist ein sehr vielfältiges Buch in allen Lebensfarben, das auch die kulturelle Vielfalt der Menschen und ihre Geschichten spüren lässt.
Migration ist aktuell in Politik und Gesellschaft ein Thema, das mit Problemen, politischer Bewertung und Abwertung beschrieben wird. Den Frauen im Buchprojekt ging es dagegen darum Migration zu feiern, als Geschichten von Menschen die Vielfalt nach Deutschland bringen. Das steht scheinbar im Widerspruch zu der Art und Weise wie es politisch interessierten Kreisen seit 2015 gelungen ist, die sogenannte Willkommenskultur und die Migration in Deutschland negativ zu besetzen.
Aktuell werden oftmals die negativen Geschichten und Berichte über Migration in den Vordergrund gestellt. Manchmal wird auch gerne vergessen, dass erfolgreiche Migration auch den Einsatz von staatlichen Mitteln benötigt und ehrenamtliche Arbeit für Migration gesellschaftliche Anerkennung benötigt. Nicht immer reicht ehrenamtliches Engagement aus. Professionelle Arbeit für erfolgreiche Migration ist unverzichtbar. Doch leider erleben wir aktuell das Gegenteil.
Wenn an diesem Abend Migration gefeiert werden sollte, dann sollte damit ganz gezielt und bewusst ein anderer Blick auf die Geschichten und die Menschen gerichtet werden. Das ist Melisa Manrique in ihren Geschichten, die sie vorstellte, sehr gut gelungen.
Die Fragen von Tess an ihre Mutter Rose lösten eine Beschreibung von Kontrasten aus.
Die Anerkennung und der Stolz auf die Geschichte der Mutter war immer verwoben mit Erinnerungen an eine Heimat, an ein Land in dem Bürgerkrieg herrschte. Dazu gehörte der aufkeimende Hass von Menschen untereinander, die Nachbarn waren. Am Ende waren es Bürgerkriegsparteien und Tod und Vernichtung wurden plötzlich zu Bildern, die den Alltag bestimmten und auch die Erinnerung an das, was „Heimat“ bedeutet. Heimat als etwas, das man im Herzen mitnimmt und das immer auch von negativen Bildern bestimmt ist, die man nicht einfach so vergessen kann.
Was bestimmt meine Kultur? Was ist mir wichtig, wie kann ich meine Kultur in einem fremden Land bewahren und gleichzeitig die Kultur eines Landes annehmen, dessen Staatsbürgerschaft ich erhalten habe, das wurde auf ganz eindringliche persönliche Weise deutlich, als es an diesem Abend um Migration ging.
Plötzlich waren Themen wie Toleranz, religiöse Vielfalt, Glaube, als ganz persönlicher individueller Wert für das eigene Leben, ohne anderen etwas aufzwingen zu wollen, die Themen eines sehr intensiven Gespräches unter den Besucherinnen und Besuchern.
Es war wieder einmal ganz direkt zu erleben, wie wichtig das OHLE als ein Haus der Begegnung für Menschen, für unterschiedliche Kulturen, für Respekt und Toleranz, für Gespräche darüber ist. Die Veranstaltung wurde von der Initiative für Demokratie und Vielfalt – Poppenbüttel bleibt bunt, durchgeführt. Diese Initiative wurde vom Verein Poppenbüttel Hilft e. V., der sich seit 2015 für Integration in Poppenbüttel engagiert, gegründet. Die Lokalen Partnerschaften für Demokratie und das Bezirksamt Wandsbek hatten die Durchführung der Veranstaltung ermöglicht.
Das Ziel der Initiative ist es, im Gespräch zu bleiben. Auch über Themen, die zwischen den Menschen strittig sind. Denn wenn Streit dazu führt, dass nicht mehr zugehört wird, wenn Gespräche zu Hass und Ausgrenzung führen, dann könnte es sehr schnell dazu führen, dass Demokratie in’s Wanken gerät. Gerade vor dem Hintergrund des Beginns eines Wahlkampfes um politische Mehrheiten in Hamburg und im Bundestag hat die Veranstaltung auf sehr eindringliche persönliche Weise gezeigt, dass das Thema Migration nicht in den Sog von Parolen und Gegenparolen geraten darf.