Syrer, vor 8 Jahren kam er nach Deutschland und lebt seit 6 Jahren in der Ohlendiekshöhe. Er ist verheiratet und hat 4 Kinder. In seiner Heimat arbeitete er als Bauingenieur. In Deutschland ist er im Sicherheitsbereich beschäftigt.
Verlust der Seele
Obwohl er in einem Land Zuflucht suchte, das er nie zuvor gekannt hatte, fand er dort alle Notwendigkeiten für ein menschenwürdiges Leben vor.
Nachdem er sein Land verlassen hatte, ließ er ein Feuer zurück, das alles verbrannte – sowohl die Menschen als auch die Steine. Er ließ Elend und einen verabscheuungswürdigen, gnadenlosen Krieg hinter sich.
In dem neuen Land fand er gute Menschen, die ihm halfen, wo er sie traf. Er konnte hier ein sicheres Leben führen.
Tag für Tag erinnerte er sich an sein Leben mit seinen Freunden, seinen Verwandten, an sein Heimatland vor dem Krieg. Er fühlte sich wie ein Baum, der von seinem Land entwurzelt und ohne seine Wurzeln an einen neuen Platz gepflanzt worden war.
Diese Erinnerungen ließen ihn eines Tages kein Glück mehr finden. An einem turbulenten Tag beschloss er, in sein Land zurückzukehren, obwohl er wußte, dass dies eine sehr gefährliche Entscheidung war.
Er kam nachts an, warf sich vor lauter Sehnsucht in den Dreck und schlief noch auf der Türschwelle seines Hauses ein. Sein Haus war leer. Hier gab es nichts zum Schlafen und ein Teil des Hauses war zerstört.
Am Morgen wachte er auf, als die Sonne auf seiner Wange brannte. Er ging zum Wasserhahn, um sein Gesicht zu waschen. Aber es gab einfach kein Wasser. Er ging zu den Nachbarn, aber alle Nachbarn hatten ihr Zuhause verlassen. Es war niemand da.
Der Hunger verschlang ihn. Also ging er auf den Markt, um Lebensmittel zu kaufen, aber er fand nur wenig Gemüse. Sogar das Brot fehlte. Endlich kaufte er ein paar Tomaten, um zu frühstücken.
Er beschloss, zum Haus seines Freunds in der Nähe zu gehen und es überraschte ihn, dass fremde Menschen in dem Haus wohnten. Sie sagten ihm, dass sein Freund und dessen Familie nach Kanada ausgewandert seien. Das alles verdutzte ihn. Wohin sollte er gehen in dieser Geisterstadt.
Beim Haus eines anderen Freunds stellte er fest, dass das Haus abgerissen war. Von anderen Menschen hörte er, dass sein Freund unten den Trümmern gestorben war, als das Haus aus der Luft bombardiert worden war.
Abends, als er vor seinem Haus saß, von Traurigkeit erfasst, kam ein Militärjeep. Zwei Menschen in Militär-Uniform stiegen aus und brachten ihn ins Sicherheitszentrum der Stadt.
Dort verhörten sie ihn und entlockten ihm alle gewünschten Informationen. Sie forderten ihn auf, sein Land nicht ohne Erlaubnis der Sicherheitskräfte zu verlassen. Sie sagten ihm, er solle in einer Woche wiederkommen. Er verließ das Sicherheitszentrum und verlor fast den Verstand. Er wusste nicht, was er tun sollte, also ging er ziellos durch die Stadt.
Auf seinem Weg kam er zu einem Restaurant, bei dem er früher oft eingekehrt war, er hatte sich mit dem Besitzer des Restaurants ausgetauscht und dann etwas Leckeres gegessen. Aber das Restaurant war jetzt abgerissen und rostig.
Er setzte seinen Spaziergang fort. Er kam zu einem Garten, den er früher am Abend oft mit seiner Familie besucht hatte. Dort hatte er mit seinen Kindern gespielt. Der Garten war verlassen, seine Bäume waren trocken und voller Traurigkeit.
Die Welt engte ihn ein aber er setzte seinen Spaziergang weiter fort. Erst jetzt bemerkte er, dass er am Ufer eines Flusses in der Nähe der Stadt angekommen war.
Die Sonne dreht sich zum Horizont, um das Ende eines weiteren Lebenstages zu markieren.
Er saß da und beobachtete diese Szene, die das Ende andeutete und überlegte, was mit ihm passieren könnte. Wie er sein Heimatland so voller Traurigkeit vorfand! Mehr als damals, als er es verlassen hatte. Keine Nachbarn, keine Freunde, alles war aus seinem Leben verschwunden. Er war verlassen von geliebten Menschen. Er fand nur Zerstörung.
Er legte sich an das Ufer des Flusses in jenem Tal nahe der Stadt. Er lag auf dem Boden, seinen Kopf auf einem Haufen Dreck. Er schlief ein und wachte nicht mehr auf. Er schlief für immer.