Bürgervertrag Poppenbüttel

Am 13. Juli hat die Bürgerschaft den Vereinbarungen der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ mit den senatstragenden Bürgerschaftsfraktionen zugestimmt. Diese Nachricht ist von vielen Menschen mit Erleichterung aufgenommen worden; denn damit kann voraussichtlich ein Volksentscheid abgewendet werden, der zu einer extremen  Verschärfung des Konfliktes über die Aufnahme und Ansiedlung von Flüchtlingen und einer Gefährdung des gesellschaftlichen Friedens der Stadt geführt hätte.

Wir – der Vorstand von Poppenbüttel Hilft e.V. – sehen es als durchaus positiv, dass sowohl in dem landesweiten wie in dem lokalen Vertrag konkrete Punkte und Maßnahmen Eingang gefunden haben, die Großteils bereits in der öffentlichen Diskussion  von der Verwaltung zugesagt worden waren.

Auch ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass der Senat und die Fraktionen das Gespräch mit Bürgerinitiativen gesucht haben. Allerdings ist das Verfahren, in dem dieser Vertrag ausgehandelt und präsentiert wurde, nicht akzeptabel. Der Verhandlungsprozess war völlig intransparent: Die Initiatoren des Volksentscheids und der Bürgerbegehren gegen die geplanten Flüchtlingsunterkünfte repräsentieren nur einen Teil der Hamburger Bürgerinnen und Bürger. Dagegen wurden die ca. 100 Initiativen zur konkreten Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen – auch Poppenbüttel Hilft e.V. – nicht in die Verhandlungen einbezogen und in dem Glauben gelassen, dass die vom Senat beschlossenen Verfahren und Größenordnungen alternativlos wären.

Die im Konsens zwischen SPD, Grünen, IFI, GiP und anderen vereinbarten herabgesetzten Belegungszahlen für die einzelnen Unterkünfte lassen sich nur realisieren, wenn in Hamburg insgesamt rund 130 zusätzliche Standorte zur Flüchtlingsunterbringung mit im Durchschnitt jeweils 300 Plätzen geschaffen werden. Die Mehrzahl dieser Standorte müsste noch festgelegt werden und es ist zu erwarten, dass eine derartige Planung nicht nur zeitaufwändig, sondern auch aus anderen Gründen risikobehaftet ist, etwa im Hinblick auf mögliche Anwohnerklagen oder bezirkliche Bürgerentscheide, deren Initiatoren sich an den Kompromiss nicht gebunden fühlen.

Die Präsentation des Ergebnisses 24 Stunden vor der Beschlussfassung hat nicht nur eine gründliche parlamentarische Beratung verhindert, sondern es auch den engagierten Menschen und Initiativen unmöglich gemacht, sich mit dem Vertrag auseinander zu setzen und dazu Stellung zu beziehen.

Insgesamt sind sowohl der Hamburger als auch der Poppenbütteler Vertrag geprägt von einem bürokratischen Verständnis der Verwaltung, Verteilung und Reduzierung von Flüchtlingszahlen. Dass es um konkrete menschliche Einzelschicksale geht, wurde von den Vertragsunterzeichnern nur unzureichend berücksichtigt.

Zu dem ‚Bürgervertrag’ Poppenbüttel machen wir folgende konkrete Anmerkungen:

  • Die für Poppenbüttel vorgesehene stufenweise Reduzierung der öffentlich untergebrachten Flüchtlinge von 650/500 – je nach tatsächlichem Flüchtlingszuzug in Hamburg – auf 300 Personen Ende 2019 steht im Gegensatz zur angeblich angestrebten verbesserten Integration. Wer damit rechnen muss, kurzfristig umgesiedelt zu werden, wird Integrationsangebote nur sehr zögerlich in Anspruch nehmen. Zudem ist zu erwarten, dass diejenigen Flüchtlinge, deren Integration – etwa in den Arbeitsmarkt – gelingt, aus den Einrichtungen ausziehen werden, während die „Problemfälle“ bleiben. Auch dies ist stellt eine zusätzliche Erschwernis für Integrationsbemühungen dar.
  • Die vorgesehene Verteilung der Belegung des Quartiers Poppenbütteler Berg ist geprägt vom Grundsatz der räumlichen Trennung nach Flüchtlingen, sozialem Wohnungsbau und frei finanzierten Wohnungen, so dass im Ergebnis die Flüchtlinge möglichst weit von der bestehenden Bebauung  separiert werden.  Dies steht im Widerspruch zu der im Vertrag proklamierten ‚kleinteiligen Durchmischung’.
  • Es wird genau festgelegt, wann die Mehrzahl der Flüchtlinge, die eben noch mit dem Ziel der guten Integration einen neuen Wohnort in Poppenbüttel gefunden haben, wieder auszuziehen hat. Ihnen wird lediglich ein Anrecht auf Wohnen im Alstertal für maximal 2 ½ Jahren zugebilligt; dann heißt es für mehr als die Hälfte der Flüchtlinge wieder Abschied zu nehmen. Das passt nicht zu dem Versprechen, eine gute Behandlung der auf der Flucht erlittenen Traumata zu gewährleisten.
  • Die Vereinbarung, 60% der Flüchtlinge sollten Familien mit mindestens einem Kind sein, beinhaltet auch, dass diese Kinder Schulen besuchen. Hier fällt auf, dass im Vertrag nicht das Kindeswohl und das Recht auf umfassende Bildung im Mittelpunkt steht, sondern die befürchtete Überforderung der Institution Schule.
  • Die als „Bürgerinitiativen für Integration“ bezeichneten Organisatoren des Volksbegehrens verpflichten sich durch die „Bürgerverträge“ zu keinerlei Mitwirkung an konkreten Integrationsmaßnahmen. Diese Aufgabe wird staatlichen Einrichtungen, Sozialverbänden und Flüchtlingsinitiativen überlassen. Der Bürgerinitiative GiP wird eine Vertretung im einzurichtenden Quartiersbeirat „mit Sitz und Stimme“ zugesichert, während die Flüchtlings-Unterstützerinitiativen ebenso wie Geflüchtete in „geeigneter Weise einbezogen“ werden sollen. Ob diese ebenfalls Sitz und Stimme in dem Beirat erhalten werden, bleibt unklar, genauso wie, welche weiteren Vertreter der Zivilgesellschaft in diesem Gremium vertreten sein werden und welche Kompetenzen  der Beirat haben wird.
  • Obwohl die Vertrauensleute des Wandsbeker Bürgerbegehrens Vertragspartner des Bürgervertrages sind, verpflichten sie sich noch nicht einmal, den Antrag zurück zu nehmen. Stattdessen heißt es in der Schlussbemerkung des Vertrages lediglich: „ Mit dem Zustandekommen dieses Bürgervertrags, …, wird sich GEMEINSAM in POPPENBÜTTEL e.V. dafür einsetzen, dass die drei Vertrauensleute das bezirkliche Bürgerbegehren „Wandsbek für gute Integration“ zurücknehmen. Verbindlichkeit sieht anders aus.

Poppenbüttel Hilft e.V. wird alles dafür tun, unseren neuen Nachbarn zu zeigen, dass sie in unserem Stadtteil willkommen sind. Wir werden uns entschieden dafür einsetzen, dass kein Flüchtling aus Poppenbüttel gegen seinen Willen in andere Folgeeinrichtungen verlegt wird.

Hier der Vertrag als Download: Bürgervertrag Poppenbüttel

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